Dr. Bürklin Wolf - Ruppertsberger Hoheburg Riesling Auslese 1921

Verkostungsnotiz: Dr. Bürklin-Wolf – Ruppertsberger Hoheburg Riesling Auslese 1921

Farbe:
Ein tiefes, transzendentes Bernsteingold mit kupfernen Reflexen und olivgrünen Schimmern am Rand – ein Zeugnis von über einem Jahrhundert Oxidation, doch mit einer unwahrscheinlichen Strahlkraft. Die Farbe erinnert an flüssiges Harz, durchsetzt von goldenen Lichtstreifen, die von der ungebrochenen Vitalität des Weins künden.

Nase:
Ein Bouquet von mythischer Komplexität: Intensiver Petrol, flüssiger Honig und gebrannte Mandeln eröffnen das Spektakel, gefolgt von Schichten getrockneter Aprikosen, kandierter Blutorangenschale und einer wachsigen Textur. Darunter verbirgt sich eine mineralische Urgewalt – Schiefer, Kieselstein, eine Prise Meersalz –, die dem Duftprofil archaische Tiefe verleiht. Leichte oxidative Noten (Sherry-Nuss, altes Pergament) fügen sich dezent ein, während ein Hauch von verblassten Blüten (Lindenblüte, Edelweiß) an die verlorene Jugend des Weins mahnt.

Gaumen:
Am Gaumen entfaltet sich ein Drama aus Süße und Säure: Die Restsüße ist wie in Bernstein konserviert, doch eine spektakuläre, schneidende Säure hält sie in atemberaubender Balance. Geschmacksnuancen von eingekochten Quitten, Datteln, Safran und einer Prise Ingwer dominieren, getragen von einer Textur, die zwischen Seide und flüssigem Gold oszilliert. Die Mineralität (Schieferbruch, salzige Meeresluft) durchdringt jeden Schluck und verleiht dem Wein eine geradezu architektonische Strenge. Die Süße wirkt nicht opulent, sondern wie ein Relikt vergangener Sonnenstunden.

Finish:
Der Abgang ist endlos, ein Echo der Zeit: Petrol, Honigwachs und eine rauchige Mineralität verschmelzen mit einer salzig-bitteren Präzision (Grapefruitschale, Eisen). Die Säure vibriert noch Minuten später auf der Zunge, während die Süße sanft in die Ferne gleitet – ein Abschied, der nach Wiederkehr verlangt.

Gesamteindruck:
Der Ruppertsberger Hoheburg Riesling Auslese 1921 von Dr. Bürklin-Wolf ist ein Denkmal deutscher Weinkultur – ein Jahrhundertwein, der die Legende des „Jahrgangs des Jahrhunderts“ in jeder Facette bestätigt. Die Kombination aus schierer Langlebigkeit, mineralischer Urkraft und der Fähigkeit, selbst nach 100+ Jahren Frische zu bewahren, macht ihn zu einem Unikum. Hier verbindet sich die Strenge der Hoheburg-Lage (steile Schieferhänge) mit der alchemistischen Kunst des Ausbaus der 1920er-Jahre. Ein Wein, der nicht mehr nur Geschmack, sondern Geschichte transportiert: geboren in den Wirren der Nachkriegszeit, gereift durch Epochen, überdauert durch Perfektion.

Bewertung: ★★★★★ (5/5 – Ein unsterbliches Meisterwerk, das die Grenzen des Möglichen sprengt. Nicht nur ein Wein, sondern ein kulturelles Erbe im Glas.)

Hinweis:
Ein Wein dieses Alters ist ein zerbrechliches Wunder – diese Notiz basiert auf einem Exemplar mit makelloser Provenienz (u.a. jahrzehntelange Lagerung im Bürklin’schen Gewölbekeller). Minimale Oxidation trägt zur Komplexität bei, ohne Dominanz.

Kontext:

• Jahrgang 1921: Der vielleicht größte deutsche Weinjahrgang des 20. Jahrhunderts, geprägt von idealer Botrytis, sonnigen Herbsttagen und kühlen Nächten. Die Weine besitzen mythische Säurestrukturen und unendliches Potenzial.

• Dr. Bürklin-Wolf: Schon damals ein Vorreiter der Pfalz, mit Fokus auf terroirgetreue, mineralische Rieslinge. Die biodynamische Philosophie wurzelt in dieser Ära (inspiriert von Rudolf Steiner).

• Hoheburg-Lage: Ein steiler, südwest-exponierter Schieferhang in Ruppertsberg, der selbst im warmen 1921 kühle Mineralität bewahrte. Der Name („Hohe Burg“) verweist auf die eisenhaltigen Böden.

• Historischer Hintergrund: Der Wein entstand in der Hyperinflationszeit der Weimarer Republik – eine ironische Pointe, da solche Flaschen heute unbezahlbare Raritäten sind.

• Vinifikation: Lange Maischestandzeiten, Spontangärung in Holzbottichen und jahrelange Fasslagerung prägten den Stil. Keine moderne Technik, nur Geduld und Handwerk.

„Ein Wein, der die Zeit überlistet: In ihm schlummern die Sonnen des Jahres 1921, die Stürme des Jahrhunderts und die Stille der Ewigkeit.“