Ziegler Fränkischer Tresterbrand 43% vol, Jahrgang 1911

Einleitung: Ein Flüssiges Museumstück

Dieser Tresterbrand ist kein gewöhnlicher Branntwein, sondern ein archäologisches Fundstück in flüssiger Form. Mit einer Abfüllung aus dem Jahr 1911 ist dieser Schnaps über 110 Jahre alt und stammt aus einer Welt vor den Weltkriegen, der Weimarer Republik und der modernen EU-Spirituosenverordnung. Ein "Fränkischer Tresterbrand" bezeichnet einen Weinbrand, der aus den Rückständen der Weinherstellung (Trester, also gepressten Schalen, Kernen und Stielen) gebrannt wird. Ein solches Alter und diese regionale Spezifikation machen ihn zu einer extrem seltenen und historisch bedeutsamen Rarität.

Klassifizierung & Herkunft

• Bezeichnung: "Fränkischer Tresterbrand" ist eine traditionelle, heute nicht mehr offizielle Bezeichnung. Moderne Äquivalente wären "Tresterbrand" oder "Grappa" (wobei "Grappa" rechtlich für italienische Produkte geschützt ist). Franken war und ist eine bedeutende Weinbauregion, in der solche Destillate eine lange Tradition haben.

• Jahrgang 1911: Dies bezieht sich auf das Jahr der Destillation. Der Brand lagert danach im Glas, nicht im Holz, daher verändert er sich sensorisch nur minimal weiter (keine Holzinteraktion mehr). Der Charakter ist also ein direkter Abzug der damaligen Brennkunst und des Traubenguts von 1911.

• Produzent Ziegler.

Sensorische Prognose (bei intakter Versiegelung)

Die sensorische Beschreibung ist eine wissenschaftlich fundierte Prognose, da ein Öffnen und Verkosten einer solchen Flasche deren Wert und Integrität zerstören würde. Die Prognose basiert auf der Chemie alter Spirituosen.

Farbe

• Erwartung: Wasserklar bis sehr blasses Strohgelb. Da es sich um einen klaren Brand handelt, der vermutlich in Glas oder neutralen Behältern gelagert wurde, ist keine nennenswerte Nachdunkelung durch Holz zu erwarten. Eventuelle leichte Farbtönungen stammen von ursprünglichen Farbstoffen der Trester oder minimaler Oxidation.

Nase (Prognostiziertes Profil)

Das Bukett wird zurückhaltend, aber von extremer Feinheit und Reinheit sein. Primäre Fruchtaromen sind nach 110 Jahren nicht mehr vorhanden.

• Dominante Noten: Trockene, reine Ethanolwärme (jedoch weich und rund), unterlegt mit tiefen, erdigen und nussigen Tertiärnoten.

• Spezifische Aromen:

  • Nuss/Mandel: Klare Noten von bitterer Mandel und Marcipan.

  • Trockenfrüchte: Ein Hauch von Rosinen und getrockneten Feigen (aus den ehemaligen Trauben).

  • Botanisch/Erdig: Feuchte Walderde, frisch geriebene Wurzeln (Enzian, Alant), eine leichte pilzige Note (Edelpilz).

  • Mineralisch: Eine kühle, steinige Note, die auf fränkisches Terroir (Kalkstein, Keuper) hindeuten könnte.

  • Keine offensiven oder fehlgebrannten Noten (z.B. verbrannt, ranzig) bei fachgerechter Lagerung zu erwarten.

Gaumen (Prognostiziertes Profil)

• Mundgefühl: Erstaunlich weich und seidig für 43% vol. Die langjährige Lagerung in Glas lässt die Alkoholmoleküle "zusammenwachsen" und mildert die Schärfe.

• Geschmack: Eine elegante, lineare Wiedergabe der Nasenaromen: Mandeln, leichte Trockenfrucht, eine erdige Würze. Die Geschmacksintensität wird nicht überwältigend, sondern fein und langsam entschleiernd sein.

• Abgang: Langanhaltend, sauber und trocken, mit einem anhaltenden, leicht bitter-mandeligen Nachhall. Keine brennende oder scharfe Alkoholnote.

Historischer & Sammlerkontext

• Zeitzeugnis: Destilliert im letzten Regierungsjahr von König Georg V. von Großbritannien und Kaiser Wilhelm II. im Deutschen Kaiserreich. Eine Spirituose aus der Belle Époque.

• Produktionsbedingungen: Handwerkliche, kleine Brennerei mit damaliger Technologie (Kupferkessel, offene Feuer). Das Traubengut stammt aus einer Zeit vor modernen Klonen und intensiver Düngung.

• Sammlerwert: Extrem hoch. Der Wert liegt primär in der Seltenheit, dem perfekten Alter und der intakten Originalität (Originaletikett, Verschluss, Füllstand). Er ist ein Objekt für Spezialauktionen und ernsthafte Spirituosensammler.

Zustandsbewertung & Risikoanalyse

Kritische Bewertungskriterien

1. Verschluss: Der ursprüngliche Korken oder Verschluss ist das größte Risiko. Verdunstung („Engelsanteil“) über 110 Jahre ist unvermeidbar, sollte aber minimal sein (Füllstand nur leicht unter dem Hals).

2. Etikett & Flasche: Ein originales, gut erhaltenes Papieretikett mit lesbarer Aufschrift erhöht den historischen und finanziellen Wert enorm.

3. Lagerung: Konstante, kühle (15-18°C) und dunkle Lagerung war essentiell. Temperaturschwankungen beschleunigen die Oxidation und Interaktion mit dem Verschluss.

Risiko bei Öffnung

• Sensorischer Verfall: Es besteht eine reale Chance, dass der Inhalt überoxidiert, flach oder sogar fehlgebildet (z.B. durch Korkenfehler) schmeckt. Der Genuss ist keine Garantie.

• Wertverlust: Das Öffnen zerstört das "versiegelte historische Objekt" und reduziert seinen Sammlerwert drastisch.

Empfehlungen & Fazit

Empfehlung für den Besitzer

1. Nicht öffnen! Dieses Stück sollte als Museums- und Sammlungsobjekt erhalten bleiben. Sein Wert liegt in seiner Geschlossenheit und Geschichte.

2. Lagern: Weiterhin absolut dunkel, kühl und ohne Erschütterung aufbewahren. Die Flasche regelmäßig, aber vorsichtig auf Füllstandsverlust oder Veränderungen am Verschluss prüfen.

3. Dokumentation: Den genauen Fund- oder Provenienzhintergrund dokumentieren. Eine professionelle Begutachtung durch ein Auktionshaus für Spirituosen (z.B. Breker in Köln, Sotheby's, Bonhams) in Erwägung ziehen.

Abschließendes Fazit

Der Ziegler Fränkische Tresterbrand von 1911 ist kein Getränk für den Konsum, sondern ein kulturelles Erbe in Flaschenform. Er bietet eine einzigartige, unberührte Verbindung zur handwerklichen Brennkultur Frankens vor dem Ersten Weltkrieg. Die Entscheidung, ihn zu öffnen, wäre eine irreversible Zerstörung eines historischen Unikats zugunsten einer äußerst unsicheren sensorischen Erfahrung. In seiner versiegelten Form ist er ein faszinierendes Zeugnis der Zeit, der Handwerkskunst und der Beständigkeit – ein wahres Konversationsstück für anspruchsvolle Sammler.