Maison Thomas Bassot - Vosne-Romanée 1966

Maison Thomas Bassot - Vosne-Romanée 1966, Burgund, Frankreich

Einleitung: Eine Flasche Burgundischer Geschichte

Bei diesem Wein handelt es sich um mehr als ein alkoholisches Getränk; er ist ein flüssiges Archivstück aus einer anderen Ära des Burgunds. Die Maison Thomas Bassot war ein angesehener Weinhändler (Négociant) aus Nuits-Saint-Georges, der insbesondere für Weine aus den 1950er bis 1970er Jahren bekannt ist – einer Zeit, in der Burgund noch weniger technologisiert und vielleicht stärker vom Terroir geprägt war als heute. Ein Vosne-Romanée 1966 ist eine seltene Gelegenheit, den unverfälschten, ausgereiften Charakter dieses legendären Dorfes aus einem Jahrgang zu verkosten, der für seine Eleganz, nicht für seine Kraft, geschätzt wird.

Sensorische Beschreibung (basierend auf Profilen alter, gut gelagerter Burgunder)

Wichtig: Ein Wein dieses Alters ist eine Extremprobe. Der Zustand jeder Flasche ist einzigartig und das Erlebnis steht auf des Messers Schneide zwischen Erhabenheit und Enttäuschung. Eine einwandfreie, kühl gelagerte Flasche kann Folgendes bieten:

Farbe:

• Blasses, durchscheinendes Ziegelrot bis Orangeton, fast bernsteinfarben am Rand. Die ursprüngliche Purpurfarbe ist längst gewichen.

Nase:
Das Bukett ist das Reich der tertiären Aromen. Die primäre Frucht ist vollständig umgewandelt in ein komplexes, oft animalisches Spektrum:

• Forst & Erde: Dominante Noten von Trüffel, feuchtem Waldboden, Herbstlaub, Champignon und Moos.

• Animalische Würze: Eine elegante, nicht aufdringliche Note von Fell, Leder und Wild.

• Gereifte Frucht: Ein letztes, verschwindendes Echo von eingemachter Himbeere, Pflaumenmus oder getrockneten Kirschen.

• Gewürz & Holz: Zedernholz, Tabak, Sandelholz und eine schwache Erinnerung an Gewürznelken.

• Bei großartigen Flaschen zeigt sich das berühmte Vosne-Romanée-Veilchenaroma als verblassendes, geisterhaftes Flair.

Gaumen:

• Der Einstieg ist seidig, leicht und von transparenter Textur. Er ist nicht kraftvoll, sondern von schwebender Eleganz.

• Die Säure – sofern noch vorhanden – ist der Schlüssel zur Lebensfähigkeit. Sie verleiht dem Wein eine geisterhafte Frische und Längsrichtung.

• Die Tannine sind vollständig aufgelöst und hinterlassen eine samtige, fast ungreifbare Struktur.

• Der Geschmack folgt der Nase: Trüffel, Erde, unterholzige Noten dominieren, unterstützt von einer kaum wahrnehmbaren süßlichen Fruchterinnerung.

• Der Abgang kann erstaunlich lang und nachdenklich sein und hinterlässt einen Eindruck von Würze, Mineralität und verblassender Noblesse.

Historische Einordnung & Besonderheiten

• Jahrgang 1966 in Burgund: Gilt als ein guter, aber kein großer Jahrgang. Er folgte auf die monumentalen 1959er und 1961er. 1966 brachte elegante, zugängliche, mittelkörperige Weine mit guter Säure, aber ohne die Kraft und Konzentration der absoluten Spitzenjahre. Die besten Weine haben sich erstaunlich gut gehalten, sind aber heute absolute Raritäten.

• Die Maison Thomas Bassot: Ein traditioneller Négociant, der Wein von Winzern einkaufte, ausbaute und unter eigenem Label vermarktete. Die Qualität hing stark von seinen Beziehungen und seinem Können ab. Weine aus dieser Zeit spiegeln oft einen rustikaleren, weniger polierten Stil wider als heutige Weine, bei denen die technische Perfektion im Vordergrund steht.

• Das Dorf Vosne-Romanée: Selbst ein einfacher Dorfwein (ohne Premier- oder Grand-Cru-Lagenangabe) aus diesem berühmtesten aller Burgunddörfer trägt das Erbe des Terroirs in sich. Man zahlt und erhofft sich eine Spur der berühmten Sinnlichkeit und Komplexität.

Trinkreife, Zustand & Risiko

• Trinkreife: Ein solcher Wein hat sein Plateau längst erreicht und befindet sich am äußersten Ende seines Lebenszyklus. Es geht nicht um Potenzial, sondern darum, die letzten Züge seiner Eleganz zu erleben.

• Das Risiko: Sehr hoch. Neben dem üblichen Kork- oder Oxidationsrisiko können Depot, völlig erschöpfte Frucht oder fehlende Säure das Erlebnis zerstören. Der Füllstand (möglichst "High Shoulder" oder besser) und die Provenienz (konstant kühle Lagerung) sind alles.

• Empfehlung: Nicht weiter lagern, sondern mit der entsprechenden Ehrfurcht und Akzeptanz für ein mögliches Scheitern öffnen.

Bewertung & Empfehlungen für den Genuss

Bedingte Bewertung (für eine perfekte Flasche): 92-94/100 Punkte
Die Bewertung würdigt die historische Dimension, die erreichte Komplexität und das pure Wunder, einen fast 60-jährigen Burgund in gutem Zustand zu erleben. Sie ist keine Bewertung der ursprünglichen Fruchtkraft.

Empfehlungen für die Behandlung:

1. Lagerung: Mindestens 1 Woche vor dem Öffnen unbewegt stehen lassen.

2. Öffnen: Äußerst behutsam. Den Korken vorsichtig ziehen, er kann bröckeln.

3. Dekantieren: Nicht im klassischen Sinne. Ggf. sehr vorsichtig in eine Karaffe umfüllen, ausschließlich um das Depot am Flaschenboden zu trennen. Der Wein verträgt keinen Sauerstoffschock mehr. Oft wird empfohlen, direkt aus der Flasche zu trinken, nachdem das Depot zurückgelassen wurde.

4. Serviertemperatur: 15-16°C.

5. Begleitung: Der Wein ist die Speise. Servieren Sie ihn zu einfachen, dezenten Gerichten, die ihn nicht überdecken: Einfaches Geflügel, Pilzrisotto oder einfach ein Stück reifer, cremiger Burgunderkäse (Époisses, Citeaux).

Fazit

Eine Maison Thomas Bassot Vosne-Romanée 1966 zu öffnen, ist eine archäologische Unternehmung im Reich des Weines. Es ist kein garantierter Genuss, sondern ein intellektuelles und emotionales Abenteuer. Bei Erfolg wird man mit einem zarten, komplexen und tief bewegenden Geschmackserlebnis belohnt – einem letzten, flüsternden Echo der burgundischen Magie aus einer vergangenen Zeit. Es ist eine Erfahrung, die Demut lehrt und die Vergänglichkeit selbst der größten Weine vor Augen führt. Ein unvergesslicher Moment für den wahren Kenner und Historiker des Weines.