KWV Vintage Port Boberg Ruby Liqueur Superior 1949, Südafrika

Einleitung: Ein seltener Zeitzeuge der südafrikanischen Weingeschichte

Bei diesem Getränk handelt es sich um ein außergewöhnliches und historisch bedeutsames Sammlerstück, das mehr als nur ein Portwein-ähnlicher Likör ist. Es ist ein flüssiges Dokument aus dem südafrikanischen Weinbau des mittleren 20. Jahrhunderts. Die KWV (Koöperatieve Wijnbouwers Vereniging van Zuid-Afrika) war bis in die 1990er Jahre ein mächtiges Kartell, das den gesamten südafrikanischen Weinbau regulierte und vermarktete. Ein "Vintage Port" aus dem Jahr 1949, bezeichnet als "Boberg" und klassifiziert als "Ruby Liqueur Superior", vereint mehrere heute veraltete Bezeichnungen in einer Flasche und ist ein faszinierendes Relikt einer vergangenen Ära.

Wichtige Begriffsklärung

1. Boberg: Eine veraltete geografische Herkunftsbezeichnung für in den Bezirken Paarl, Tulbagh und Wellington (innerhalb der größeren Region Breede River Valley) erzeugte Likör- und Dessertweine, die dem Portwein nachempfunden waren. Der Begriff wurde mit der Einführung des "Wine of Origin"-Systems (WO) in den 1970ern abgeschafft. Heute würde man "Cape Port" oder "South African Fortified Wine" sagen.

2. Ruby Liqueur Superior: Eine alte südafrikanische Qualitätsbezeichnung für jung abgefüllte, rubinrote, süße, aufgespritete Weine (Likörweine). "Superior" deutete auf eine höhere Qualitätsstufe hin. Dies steht im Gegensatz zu einem Vintage Port im Douro-Stil, der sich in der Flasche weiterentwickelt und sedimentiert.

Sensorische Beschreibung (Prognose bei gutem Zustand)

Nach 75 Jahren in der Flasche wird dieses Getränk einen extremen Reifegrad erreicht haben. Es ist wichtig zu verstehen, dass es nicht wie ein gereifter Vintage Port aus dem Douro schmecken wird, sondern einen einzigartigen, von Klima und Rebsorten (vermutlich Cinsault, Tinta Barocca, Souzão) geprägten Charakter hat.

Farbe

• Wahrscheinlich kein kräftiges Rubinrot mehr, sondern ein blasses Ziegelrot bis mahagonifarbenes Braun mit orangefarbenem Rand. Die Farbe zeigt fortgeschrittene Oxidation und Alterung.

Nase

Das Bukett wird von tertiären Oxidationsnoten und einer reduzierten Frucht geprägt sein.

• Trockenfrüchte: Rosinen, getrocknete Feigen, Backpflaumen, Datteln.

• Nüsse & Karamell: Walnuss, Haselnuss, Karamell, Toffee, eine deutliche Rancio-Note (edle Oxidation).

• Gewürze & Holz: Zimt, Lakritze, dunkle Schokolade, alte Holzkiste, eine mögliche leicht rauchige oder teerige Note.

• Grundton: Die ursprüngliche, jugendliche Beerenfrucht ist fast vollständig verschwunden.

Gaumen

• Textur: Kann von mittlerer bis voller Süße sein, mit einer wahrscheinlich weichen, gut integrierten Alkoholwärme. Die Textur könnte weniger adipös sein als bei einem jungen Ruby.

• Säure: Gering bis mäßig. Die Erhaltung der Säure ist der Schlüssel zur Lebendigkeit. Fehlt sie, wirkt der Wein flach und müde.

• Geschmack: Spiegelung der Nase: Nüsse, Karamell, eingemachte Früchte und Gewürze dominieren.

• Abgang: Variabel, von mittellang bis überraschend haltbar, je nach Zustand. Der Nachgeschmack wird von Nuss und getrockneten Früchten geprägt sein.

Historische Einordnung & Produktionskontext

• Jahrgang 1949: Ein Jahr des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Die südafrikanische Weinindustrie war stark auf Massenproduktion und Destillatwein ausgerichtet; qualitativ hochwertige, lagerfähige Likörweine wie dieser waren die Ausnahme.

• KWV als Institution: Die KWV kontrollierte Preise, Mengen und Produktionsmethoden. Ein "Vintage"-Ausbau bedeutete, dass der Wein aus einem einzelnen, als gut befundenen Jahrgang stammte und eine gewisse Qualität versprach.

• Stil: Likörweine im "Port"-Stil wurden oft aus anderen Rebsorten und mit anderen Methoden hergestellt als in Portugal. Sie neigen dazu, schneller zu reifen und entwickeln sich anders.

Trinkreife, Zustand & Risikobewertung

Aktuelle Trinkreife

Der Wein hat jede denkbare Trinkreife überschritten und befindet sich am äußersten Ende seines Lebenszyklus. Es geht nicht darum, seine "Perfektion" zu erwarten, sondern sein historisches Profil zu würdigen.

Kritische Risikofaktoren

1. Provenienz: Absolut entscheidend. Lagerung in Südafrika oder Europa? Konstant kühl?

2. Füllstand: Muss "High Shoulder" oder besser sein. Niedriger Füllstand bedeutet oft übermäßige Oxidation.

3. Korkenversiegelung: Der Korken ist nach 75 Jahren höchstwahrscheinlich brüchig und undicht.

4. Produktionsstil: Als "Ruby Liqueur" wurde er jung abgefüllt und sollte eigentlich nicht so lange reifen. Das Ergebnis ist ungewiss.

Empfehlung

Dies ist eine Flasche für historische Neugier und akademisches Interesse, nicht für einen garantierten Genuss. Öffnen Sie sie mit sehr niedrigen sensorischen Erwartungen, aber großer Wertschätzung für ihre Geschichte.

Bewertung & Empfehlungen für den Genuss

Historische Bewertung (keine sensorische Punktzahl)

Eine Bewertung nach dem 100-Punkte-Schema ist nicht angemessen. Sein Wert liegt in seiner Seltenheit, historischen Bedeutung und als Kuriosum der Weingeschichte.

Empfehlungen für die Behandlung

1. Lagerung: Vor dem Öffnen mehrere Wochen ungestört stehen lassen.

2. Öffnen: Mit äußerster Vorsicht. Verwenden Sie am besten eine Ahle, um den Korken zu durchbohren und zu ziehen. Es kann sich um einen Gummistopfen handeln.

3. Dekantieren: Vorsichtig dekantieren, um ein mögliches Depot zu trennen. Kein Belüften.

4. Serviertemperatur: 14-16°C.

5. Glas: Ein kleines Dessertweinglas oder ein Sherry-Copita.

6. Begleitung: Pur, als Nachspeise für sich. Eventuell mit einem kräftigen, blauen Käse (Stilton) oder dunkler Schokolade mit hohem Kakaoanteil.

Fazit

Der KWV Vintage Port Boberg Ruby Liqueur Superior 1949 ist eine faszinierende, aber hochriskante Flasche. Er ist kein portugiesischer Vintage Port, sondern ein südafrikanisches Unikat, das die Regulierungs- und Produktionsgeschichte seines Landes in sich trägt. Das Öffnen ist ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang: Sie könnten einen müden, überalterten Wein oder – bei unglaublichem Glück – eine rötliche, nussige, komplexe Überraschung vorfinden. In jedem Fall ist es eine direkte Verbindung zur Weinwelt Südafrikas vor der Ära der "Wines of Origin" und des modernen Qualitätsstrebens. Ein Stück lebendiger Geschichte, das mit Respekt und Neugier behandelt werden sollte.