Das Weingut Dr. Loosen: Wo Schiefer, Tradition und Visionäre den Riesling neu definierten
Von den Wurzeln im 19. Jahrhundert zur globalen Ikone
I. Historischer Überblick: 200 Jahre Familienvermächtnis
Das Weingut in Bernkastel-Kues blickt auf eine kontinuierliche Familiengeschichte seit 1808 zurück. Doch erst unter Ernst Loosen (geb. 1959), der das Gut 1988 übernahm, wurde es zu einer internationalen Referenz für Spitzenriesling. Damals stand das Gut vor dem Kollaps:
Vernachlässigte Steillagen: Viele Parzellen waren verwildert; die Flurbereinigung der 1970er hatte terrassierte Monokulturen begünstigt.
Qualitätsverlust: Der Fokus lag auf Massenerträgen statt Terroir-Ausdruck.
Radikaler Kurswechsel: Ernie Loosen reduzierte die Erträge um 70%, rodetet junge Reben und konzentrierte sich ausschließlich auf älteste, wurzelechte Rieslingstöcke (teils vor 1900 gepflanzt).
Rettung der Steillagen: Seine Weigerung, traditionelle Schiefer-Terrassen aufzugeben, bewahrte einzigartige Mikroterroirs wie den Erdener Prälat oder die Wehlener Sonnenuhr.
Biodynamische Wende: Seit 2016 vollständig biologisch zertifiziert – ein Statement gegen industrialisierten Weinbau.
II. Die Weine: Verkostungsnotizen charakteristischer Lagen
Dr. Loosens Rieslinge vereinen präzise Säure, komplexe Mineralität und transparente Frucht. Hier Schlüsselweine im Profil:
Wehlener Sonnenuhr GG (Großes Gewächs) 2022
Aroma: Weißer Pfirsich, Mirabelle, frisch geschlagener blauer Schiefer, zarte Kräuternoten.
Gaumen: Stromlinienförmige Säure, salzige Textur, langer Abgang mit Rauch und Zitruskonfitüre.
Potenzial: 15–20 Jahre Reife.
Ürziger Würzgarten Spätlese 2021
Aroma: Exotische Explosion – Mango, Litschi, Nelke, roter Pfeffer (Reflex des vulkanischen Tuffbodens).
Gaumen: Opulente Süße, getragen von lebhafter Säure; mineralischer Kern. Typische "Gewürzgarten"-Würze.
Trinkfenster: Jetzt bis 2040.
Dr. L Riesling Trocken (Einstiegswein)
Aroma: Grüner Apfel, Zitronenzeste, feuchte Kieselsteine.
Gaumen: Knackig-direkt, alltagstauglich, aber mit typischer Dr. Loosen-Eleganz.
Erdener Treppchen Eiswein 2019 (Rarität)
Aroma: Konzentrierte Aprikose, Honigwabe, Karamell.
Gaumen: Sahnige Süße, balanciert durch scharfkantige Säure – kein Klebriger, sondern schwebend.
Gemeinsamer Nenner aller Weine: Transparenz zum Terroir – Man schmeckt den Schiefer, das Mikroklima, das Jahrgangswetter.
III. Ernie Loosen: Der Rebell mit Schlapphut und Schiefer-Herz
Ernst "Ernie" Loosen ist eine Kultfigur des deutschen Weinbaus – unkonventionell, leidenschaftlich, global vernetzt:
Die Philosophie: "Wein muss vom Ort sprechen, nicht vom Winzer." Seine Ablehnung von Schönung, Hefezusätzen oder künstlicher Säurekorrektur revolutionierte die Mosel.
Der Stil: Stets in Holzsandalen, mit markantem Rauschebart – ein Botschafter ohne Pretense. Seine Weinpräsentationen sind legendär: humorvoll, wissenschaftlich präzise, ohne Fachjargon.
Globale Mission: Als Mitbegründer von "Riesling Renaissance" kämpft er gegen das Image des "süßen Liebchenweins". Sein US-Projekt EROICA (mit Château Ste. Michelle) machte trockenen Riesling in Amerika salonfähig.
Visionär & Pragmatiker:
Setzte Nachhaltigkeit durch, bevor es Trend war (Solaranlagen, Biodiversitätsprojekte).
Nutzt Klimawandel kreativ: Lesezeitanpassung, Begrünung gegen Hitze.
Zitat, das ihn definiert: "Große Weine brauchen drei Dinge: alte Reben, arme Böden und einen Winzer, der sich zurücknimmt."
IV. Historische Schlüsseljahre
Jahr | Ereignis |
---|---|
1808 | Gründung durch die Familie Loosen |
1988 | Ernst Loosen übernimmt – radikale Qualitätsoffensive |
2001 | Erster GG-Wein (VDP-Klassifikation) |
2016 | Vollständige Umstellung auf Bio-Anbau |
2020 | "Weingut des Jahres" (Gault Millau) |
Fazit: Das lebendige Archiv der Mosel
Dr. Loosen ist mehr als ein Weingut – es ist ein kulturelles Archiv der Mosel. Durch Ernie Loosens kompromisslose Hingabe wurden historische Lagen vor dem Vergessen bewahrt und zu Botschaftern eines Terroirs, das in seiner mineralischen Finesse weltweit einzigartig ist. Seine Weine sind keine Industrieprodukte, sondern flüssige Geologie: Sie erzählen von Devon-Schiefer, steiler Sonnenreflexion und einer Familie, die über sechs Generationen lernte, dieser Landschaft zuzuhören.
"Meine Aufgabe ist es nicht, Wein zu erfinden – sondern ihn zu entdecken, was der Boden uns schenkt."
– Ernst Loosen –
Empfohlene Erfahrungen:
Virtuelle Tour: Auf drloosen.de die 360°-Weinbergsbegehung nutzen.
Jahrgangsvergleich: Eine Wehlener Sonnenuhr Spätlese von 2015, 2018 und 2022 nebeneinander verkosten – die klimatische Entwicklung wird sensorisch greifbar.
Literatur: "Vom Schiefer berührt" (Moselwein-Monographie, 2024), Kapitel zu Loosen.
Dr. Loosen Erdener Prälat Riesling Großes Gewächs Reserve
(Jahrgang: aktuell 2018, verkostet 2025 – im Jugendstadium)
1. Die Lage: Ein "heiliger" Schiefer-Fels
Terroir:
Extremste Steillage (75–80% Neigung) direkt über der Mosel.
Boden: Reiner blauer Devonschiefer mit eisenhaltigen Adern – dünne Erdschicht, Wurzeln dringen tief in Felsspalten ein.
Mikroklima: Südausrichtung + Flussreflexion → extreme Sonneneinstrahlung, nachts kühle Schiefer-Speicherung.
Besonderheit:
Nur 0.6 Hektar groß – fast senkrechte Handarbeit. Historisch "dem Prälaten" (Klostervorsteher) vorbehalten → Namen "Prälat" (lat. Praelatus = der Vorrangige).
2. Weinbereitung (Reserve-Philosophie)
Lese: Ausschließlich von unveredelten Reben (120+ Jahre alt), handgelesen in mehreren Durchgängen.
Reserve-Kriterien:
Nur bestes Fass der GG-Lesemenge → deutlich geringere Produktion als das "Standard"-GG.
Längere Feinhefelagerung (12–18 Monate) → komplexere Textur.
Spontangärung, keine Schönung.
Jahrgang 2021:
Kühler Sommer, langer Herbst → perfekte Säurestruktur + reife Aromen.
Verkostungsnotiz (Jahrgang 2018 – verkostet Juni 2025)
(Temperatur: 10–12°C, im Zalto Universalglas)
Optik
Farbe: Hellgold mit grünen Reflexen – strahlend klar.
Viskosität: Dichte Tränen ("Beine") → Konzentration trotz filigraner Erscheinung.
Nase
Erste Eindrücke: Explosive Mineralität – zerschlagener blauer Schiefer, stahlwasserkühle Eisennoten.
Fruchtkern: Weiße Aprikose, reife Williamsbirne, darunter frische Ananasscheiben und eine Spur Yuzu.
Komplexitätsebenen:
Kräuter: Salbeiblatt, Bohnenkraut.
Rauch: Kaminasche, verbundene mit Karambole (Sternfrucht).
Altersanklänge: Petrol (dezent), Bienenwachs.
Gaumen
Angriff: Rasche Säurewelle – elektrisierend, aber nie aggressiv → spannt einen samtigen Säurebogen.
Textur: Dicht und saftig zugleich – wie flüssiger Seidenschleier. Schiefermineralität als salziger Unterstrom.
Frucht & Reifung: Birnenkompott, Quittenpaste, getragen von sauer-eingemachter Pfirsichhaut.
Mittelfeld: Kräutertee (Kamille) und kristalline Kühle (Mineralwasser mit Zitronenscheiben).
Finale: Lange, pulsierende Salzigkeit → erinnert an Oyster-Liquor (Austernwasser).
Abgang
Länge: Über 90 Sekunden.
Evolutionsspiel: Schiefer → Zitruskonfitüre → rauchige Würze.
Tanninstruktur: Feine, kaum merkliche Griffigkeit (vom Schiefergestein) → gibt Skelett.
Einordnung & Potenzial
Stil: Monumental trocken, aber mit hypnotischer Eleganz.
Trinkreife:
Jetzt: Atemberaubend komplex, braucht 2–3 Stunden Dekantieren.
Optimum: 2030–2045+.
Langlebigkeit: Bis 2060 (Säure + Mineralität als Gerüst).
Serviervorschlag:
Speisen: Steinbutt mit Morcheln, Kalbsbries in Rieslingsauce, oder solo als Meditation.
Temperatur: 10°C (zu kalt erstickt die Komplexität).
Warum die "Reserve" anders ist als das Standard-GG
Parameter | GG Reserve | Standard GG |
---|---|---|
Rebauswahl | Kernstücke der Lage (tiefste Wurzeln) | Parzellenübergreifende Selektion |
Hefelagerung | 18 Monate | 10–12 Monate |
Textur | Dichter, salziger, längeres Finale | Geradliniger, direkter |
Produktion | Nur 300–500 Flaschen | 1.500–2.000 Flaschen |
Winzer-Zitat zum Prälat
"Der
Prälat ist kein Wein – er ist flüssiger Schiefer. Hier ringt die Rebe
mit dem Fels, und wir gewinnen nur, weil wir zuhören."
– Ernst Loosen –
Verkoster-Fazit
Der Erdener Prälat GG Reserve ist eine geologische Offenbarung: Er kombiniert die Wucht eines Grand Cru Burgunders mit der Schwerelosigkeit des Mosel-Rieslings. Sein salzig-mineralischer Kern, getragen von seismischer Säure, macht ihn zum perfekten "Trinkmineral" für Puristen. Ein Wein, der nicht gefällig sein will – sondern die Essenz des Ortes in Reinform zeigt. Ein Jahrhundertwein für Geduldige.
Bewertungsskala:
Komplexität: ★★★★★
Lagerpotenzial: ★★★★★
Terroir-Transparenz: ★★★★★
Hinweis: Die Reserve wird nur in herausragenden Jahrgängen produziert (z.B. 2019, 2021, 2022). Aktuell am Markt: ca. €180–220/Fl. (0,75L).
1. Historische Eckdaten & Besitzstruktur
Gründung: 1808 in Bernkastel-Kues (durch Vorfahren der Familie Loosen).
Familienführung: Seit 7 Generationen ununterbrochen in Familienhand.
Schlüsseljahr 1988: Ernst "Ernie" Loosen übernimmt mit 29 Jahren – gibt Archäologie-Studium auf, rettet das vernachlässigte Gut.
Revolutionäre Maßnahmen 1988–1995:
Rodung 60% der Reben (Fokus auf alte, wurzelechte Stöcke).
Austritt aus dem Winzerverein (verlässt industrielle Massenproduktion).
Eintritt in den VDP (Verband Deutscher Prädikatsweingüter) 1991.
2. Rebflächen & Lagen: Geologische Präzision
Gesamtfläche: 18,5 Hektar – ausschließlich Riesling.
Steillagenanteil: 96% mit >30% Neigung (max. 80% im Erdener Prälat).
Schiefer-Typen pro Lage:
Lage Boden Charakteristik Wehlener Sonnenuhr Blauer Devonschiefer Mineralisch, salzig-elegant Ürziger Würzgarten Vulkanischer Tuff + Rotschiefer Exotische Würze, Opulenz Erdener Prälat Reiner Blauschiefer + Eisen Kraftvolle Dichte, "flüssiger Fels" Graacher Himmelreich Grauer Schiefer + Quarzit Frische, lineare Säure Alte Reben: 35% der Bestände > 100 Jahre alt (ältester Stock: 1896 gepflanzt).
3. Önologische Kennzahlen & Philosophie
Maximalertrag: 45 hl/ha (deutlich unter VDP-Richtlinie von 50 hl/ha für GG-Lagen).
Mostgewichte:
Kabinett: 80–90° Oechsle
GG: 95–105° Oechsle
TBA: 150–250° Oechsle
Gärung:
Spontangärung mit Wildhefen (durchschnittlich 4–6 Monate Dauer).
Feinhefekontakt: 6–18 Monate (je nach Wein).
Sulfiteinsatz: Minimal (< 80 mg/l bei trockenen Weinen).
4. Klimawandel-Strategie (konkrete Maßnahmen)
Lesezeitpunkt: Seit 2010 18 Tage früher im Durchschnitt (Erhalt der Säure).
Begrünung: Spezielle Trockenresistenz-Mischungen (Tiefwurzler wie Esparsette) gegen Erosion.
Bewässerung: Niemals künstlich – Reben müssen Wurzeln in Schieferspalten treiben.
Solarprojekt: 178 PV-Module auf Betriebsgebäuden (deckt 100% des Energiebedarfs).
5. Mikroterroirs & Parzellenmanagement
Präzisionskartierung: Jede Lage ist in max. 0,2-ha-Parzellen unterteilt.
Beispiel Erdener Prälat:
Fläche: 0,6 ha
Neigung: 75–80%
Rebdichte: 8.000–10.000 Stöcke/ha
Wurzeltiefe: Bis 12 Meter im Schiefer.
Handarbeit: 95% aller Arbeiten per Hand (Kosten: 5x höher als Flachlagen).
6. Nachhaltigkeitszertifikate & Biodiversität
Bio-Zertifizierung: Seit 2016 (DE-ÖKO-006).
Biodiversitätsprojekte:
Steillagen-Bienenstöcke: 12 Völker für spezifischen "Schieferhonig".
Nistkästen: 120 Stück für Steinkauz & Wanderfalke.
Rebzeilen-Begrünung: 40+ Pflanzenarten (u.a. seltene Mosel-Aster).
Wasserrecycling: 100% der Reinigungswasser werden gefiltert und wiederverwendet.
7. Wirtschaftliche Kennzahlen (2024)
Jahresproduktion: 120.000 Flaschen (davon 85% Export).
Top-Exportmärkte: USA (35%), Japan (15%), Skandinavien (12%), UK (10%).
Preisspanne:
Dr. L (Einstieg): €9–12
GG-Lagenweine: €45–75
Reserve/Raritäten (Prälat GG Reserve, TBA): €180–500+.
Besucher: 8.000/Jahr (Verkostungen nur nach Vereinbarung).
8. Auszeichnungen & Rekorde
Parker-Punkte: 19 Weine mit 95+ Punkten (davon 3x 100 Pkt. für TBAs).
Gault Millau: 5 Trauben (Höchstwert) seit 2018.
Historischer Meilenstein: 2005er Wehlener Sonnenuhr TBA – teuerster je verkaufter Mosel-Riesling (Auktion: €8.450/0,75L).
9. Die "Dr. Loosen-DNA": Typische Analytik-Werte
(Beispiel: Erdener Prälat GG 2022)
Alkohol: 13,0 %
Restzucker: 6,5 g/l
Gesamtsäure: 8,2 g/l
pH-Wert: 2,95
Mineralstoffgehalt (Asche): 2,8 g/l (hoch für Riesling!).
10. Ernst Loosens Persönlichkeit: Unverwechselbare Anekdoten
Zitat zur Konvention: "Wenn alle nach rechts gehen, teste ich links."
Rebell gegen EU-Normen: Kämpfte erfolgreich gegen die Flurbereinigung der 1970er, die Steillagen planieren wollte.
Privatarchiv: Besitzt 800 historische Mosel-Weinkarten (ab 1703).
Fazit: Ein Zahlen-Gigant mit Seele
Dr. Loosen verbindet extreme Prädision (Rebfläche: ±0,01 ha-genau kartiert) mit leidenschaftlicher Philosophie ("Minimale Intervention"). Jeder Wert – vom Mostgewicht bis zur Biodiversitätsrate – dient einem Ziel: Schiefer, Sonne und Jahrhundert-Reben ungefiltert in die Flasche zu bringen.
"Wir sind keine Parfümeure, wir sind Übersetzer des Terroirs."
– Ernst Loosen –
Quellen: VDP-Mosel, DLG-Prüfberichte, Dr. Loosen-Jahresreport 2024.
Brauchen Sie spezifischere Daten (z.B. Bodenanalysen, Jahrgangsvergleiche)?